Badische Blutsbrüder by Dorweiler Ralf H

Autor:Dorweiler, Ralf H. [Dorweiler, Ralf H.]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783863583453
Herausgeber: Emons
veröffentlicht: 2016-02-29T00:00:00+00:00

ELF

Stefan Kurs war nicht nur ungepflegt, er war auch eine Qual. Der Kaufhausdetektiv hatte Schlaicher offenbar erwartet, denn kaum war dieser drin, folgte Kurs ihm wie ein Schatten. Er trug dieselbe Hose wie gestern, das Hemd allerdings hatte er gewechselt. Es war ebenfalls kurzärmelig und total verwaschen, im Gegensatz zu dem gestrigen musste es allerdings einmal schwarz gewesen sein. Kurs sagte kein einziges Wort zu Schlaicher. Stattdessen tat er immer so, als sei er gerade beschäftigt, wenn Schlaicher zu ihm rüberschaute. Nach zehn Minuten wurde es Schlaicher zu bunt. Er ging schnellen Schrittes auf den kleinen Mann zu und baute sich vor ihm auf.

»Was soll das?«, platzte es aus ihm heraus.

»Wieso? Ich mache nur meinen Job«, antwortete Kurs, ohne eingeschüchtert zu wirken. Er erinnerte Schlaicher an einen bissigen Yorkshireterrier, den er als Kind gekannt hatte. Das Vieh war auch immer hinter ihm hergelaufen und hatte nur darauf gewartet, dass er mal einen Moment nicht aufpasste, um sich in seine Hose zu verbeißen. Dabei war das größte Problem, dass der kleine Hund trotz seines fortgeschrittenen Alters erstaunlich hoch springen konnte und einmal sogar Schlaichers Pullover zerrissen hatte.

»Ihr Job ist es, echte Ladendiebe zu fangen.«

»Pah.«

»Was soll das denn jetzt für ein Argument sein?« Schlaicher war verblüfft und wütend zugleich.

»Rausschmeißen kann ich Sie nicht. Aber ich kann schauen, dass Sie nichts mitgehen lassen. Und jemand wie Sie«, das warf er hin, als sei Schlaicher das verkommenste Subjekt, das er je kennengelernt hatte, »braucht mir nicht zu sagen, wie ich meinen Job zu machen habe.«

Schlaicher hatte des Öfteren Ärger mit Kaufhausdetektiven. Dafür gab es mehrere Gründe. Zum einen tat er genau das, wogegen die Detektive kämpften. Nämlich stehlen. Auch wenn er die Sachen zurückgab, nahmen viele in der Branche ihn zunächst nur als Übeltäter wahr. Viel schlimmer aber war, dass sie Angst hatten, selbst schlecht wegzukommen. Meist stimmte das sogar, denn bevor man Schlaicher beauftragte, um Testdiebstähle durchzuführen, musste schon ein gewaltiger Schaden entstanden sein, den es in Zukunft zu verringern galt. Der Detektiv hatte also meist im Vorfeld einen schlechten Job gemacht oder zumindest schlechte Voraussetzungen gehabt. Was sollte ein einziger Kaufhausdetektiv denn außer ein bisschen Abschreckung schon groß bewirken, wenn er zwei oder drei Etagen zu überprüfen hatte? Insbesondere wenn den Detektiv in kleineren Städten nach einem halben Jahr Dienstzeit sowieso alle Kunden kannten? Drittes Problem war die Sorge, dass durch Schlaicher, der ja das Personal im Anschluss an die Testdiebstähle schulte, eine Wegrationalisierung des Detektivpostens befürchtet wurde. Meist gab es mindestens eine Sorge, aber bei Kurs schienen alle drei Faktoren mit einem unerklärlichen Abscheu Schlaichers Person gegenüber zu konkurrieren. Er schien Schlaicher einfach nicht riechen zu können.

Schlaicher konnte ihn im wörtlichen Sinn allerdings durchaus riechen. Wenn Kurs sprach, strömte ein Fäulnisgeruch aus seinem Mund, der Schlaicher dazu brachte, einen Schritt zurückzugehen. Kurs schien dies aber als Rückzug vor seinem Amt anzusehen und machte dafür zwei Schritte auf Schlaicher zu.

»Ich beobachte Sie!« Dann ging er weg, nur um sich an einem Ständer Kinderjeans scheinbar aufmerksam die Preisschilder anzuschauen. Zwischendurch lugte er immer wieder zu Schlaicher, der noch eine Weile perplex am gleichen Ort stand, wo er Kurs gestellt hatte.

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